Ich weiß, es klingt ein wenig verrückt und vielleicht auch ziemlich esoterisch. Aber so langsam beginne ich Yoga zu verstehen. Zu verstehen was es mit einem Menschen alles machen kann.

Kurz vor meiner Yogalehrerprüfung hatte ich eine eiserne Spange auf meinem Herzen. So fühlte es sich jedenfalls an. Als wäre mein Hals wie zugeschnürt, mein BH immer zu eng, mein Brustkorb zu klein und eine harte Fessel um mein Inneres, meine Seele, mein Herz.
Wenn ich bei den Pranayama-Übungen versucht habe, tief einzuatmen, musste ich meist entweder Husten, die Atmung stotterte oder hakte irgendwie. An fließendes Luftholen war zu Anfang nicht zu denken. Ich fühlte mich verletzlich, wollte nicht an dieser schützenden, aber doch sehr dünnen Oberfläche kratzen. Zu viel Angst hatte ich davor zu sehen, was unter ihr steckt.
Mein Job als Physiotherapeutin hat sich in diesem Jahr sehr verändert. Leider nicht zum Positiven, ich musste mich morgens immer mehr durchringen, aufzustehen, 30 Km zur Arbeit zu fahren, dort trotz körperlicher und mentaler Erschöpfung immer mehr zu geben, um dann doch nur zu hören, es reiche nicht aus. Überall das selbe, es reicht nicht aus, was du tust, du bist nicht gut genug. Aber dabei habe ich doch schon mein Bestes gegeben, ich fühlte, wie ich langsam ausbrannte. Im Job, Familiär, im Hobby. Ich quälte mich mit täglichen Vorwürfen einzelner Familienmitgliedern herum oder meine Geschäftsleitung zog meine Leidenschaft, meine Liebe zum Yoga in den Dreck. Ob man das überhaupt eine Ausbildung nennen könnte? Ob man da überhaupt für Lernen müsse? Oh ja. Ich habe 3 Monate neben dem Job und Familie gelernt. Und wie.
Wir haben 5 Tage Prüfungskurs gehabt, ab Tag 2 bröckelte so langsam die äußerste Schicht. Tatsächlich bei einigen Herzöffnern, wie z.B. dem Heraufschauenden Hund und der Kobra, vielleicht auch schon bei den Atemübungen. Ich bekam ein Gefühl von Ja, genau hier gehöre ich hin! Hier bin ich von Menschen umgeben, die mich verstehen, mich so annehmen wie ich bin! Denen ich nichts beweisen muss oder die über mich urteilen! Hier bin ich genau richtig, genau so, wie ich hier gerade in diesem Augenblick auf der Yogamatte liege. Als ich dann in der stehenden Vorbeuge hing und meine rosé lackierten Fußnägel betrachtete, überkam mich in Caros Prüfungsstunde auf einmal eine wichtige Erkenntnis. Ich konnte mich selbst endlich annehmen! Ich habe mich richtig gefühlt, richtig an diesem Platz und richtig in dieser Welt. Diese wertvolle Yogastunde hat mir so viel gebracht, hier noch mal ein großes Dankeschön an Caro und ihre liebevollen Worte.
Tag 3 überstand ich mit miesen Kopfschmerzen. Meine bis dahin steif gewordene Brustwirbelsäule wurde wieder etwas mobiler und die Schmerzen stiegen mir bis in die Stirn. Überhaupt, die vielen Asanas rissen mich aus meiner sorgfältig trainierten Schonhaltung und sorgten für ein Durcheinander in meinem ganzen Körper. Das war wohl eine der physischen Koshas, die körperliche Hülle, wie die Yogis sie benennen.
Tag 4 liefen mir die Tränen. Sie liefen und liefen...und liefen.... und liefen. Morgens suchte ich noch vergeblich nach einer passenden Meditation für mein Thema, fand aber keine. Also sprach ich eine in mein Handy und las sie dann Abends in der Anfangsentspannung den Teilnehmerinnen vor. Diese Worte kamen direkt aus meinem Herzen und ich begann während der Autofahrt fürchterlich an zu weinen. Was hatte sich bloß alles angestaut? Diese ganzen unterdrückten Gefühle durften nun endlich an die Oberfläche kommen und gehört werden! Es löste sich immer mehr von der eisernen Faust, die mein kleines Herz so fest hielt und ich war voller Vertrauen, dass dies mein richtiger Weg sein würde und auch, dass ich die Prüfung bestehen würde. Meine Prüfung war die letzte von Allen. Das fiel mir schwer und ich musste mich in Geduld üben. Dafür war sie genau richtig und es gab dem nichts mehr hinzuzufügen.
Tag 5 wurden wir dann alle wirklich echte Yogalehrerinnen. Ich war so stolz auf mich und auf uns. Wir alle wurden von einer Flut der Gefühle überschwemmt, wir weinten, tanzten, feierten, lachten und alberten herum. Ich werde nie vergessen, was für wundervolle Menschen ich hier kennen gelernt habe.
Wir machten eine Geh-Meditation, die unsere Zukunft visualisierte und ich kam aus der Vorfreude gar nicht mehr heraus. Später auf dem Heimweg ging mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Ich möchte dieses Gefühl, diese innerliche Freiheit, die Ruhe in meinem Herzen nicht wieder verlieren! Ich möchte nicht wieder den Kontakt zu mir selbst verlieren! Ich möchte genauso glücklich bleiben, wie ich es jetzt gerade bin! Ich habe einen lang ersehnten Traum zur Wirklichkeit werden lassen, mein Lebenswunsch hatte sich endlich erfüllt.
Genau eine Woche später habe ich meinen Job gekündigt.
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